1. Der Widerruf eines mit einem Kaufvertrag i.S.v. § 358 BGB verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags führt nicht dazu, dass alle Ansprüche auf Rückabwicklung an demselben Ort zu erfüllen sind.
2. Die Vermittlung des Darlehensvertrags durch den Verkäufer begründet in solchen Fällen keine Niederlassung der Darlehensgeberin am Ort der Vermittlung.
- A.
Problemstellung
Der X. Zivilsenat des BGH musste auf Vorlage des OLG Frankfurt gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO, das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des BGH mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, klären, ob sämtliche Ansprüche auf Rückabwicklung, die darauf beruhen, dass ein mit einem Kaufvertrag i.S.v. § 358 BGB verbundener Verbraucherdarlehensvertrag widerrufen worden ist. an einem Ort zu erfüllen sind.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der in Hanau ansässige Kläger nimmt die beiden Beklagten – eine im Bezirk des AG Seligenstadt ansässige Kfz-Händlerin (Beklagte zu 1), Verkäuferin) und eine im Bezirk des AG Mönchengladbach ansässige Bank (Beklagte zu 2), die darlehensfinanzierende Bank) – vor dem AG Seligenstadt gesamtschuldnerisch auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen in Anspruch.
Der Kläger, der Autokäufer, ist aufgrund von Sachmängeln an dem Fahrzeug vom Kaufvertrag zurückgetreten. Er widerrief den mit der Bank zur Finanzierung eines Teiles des Kaufpreises abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag, weil ihm die nach § 492 BGB erforderlichen Informationen nicht erteilt worden seien. Die Beklagte zu 2) rügte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Der Kläger hat daraufhin beim OLG Frankfurt die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands beantragt. Dieses hält die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung für erfüllt, sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung durch die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.
Der X. Zivilsenat des BGH hat die Voraussetzung für eine Gerichtsstandsbestimmung als erfüllt angesehen und mit im Wesentlichen folgender Begründung entschieden, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht besteht:
Auf der Grundlage dieser Auffassung kommt eine Gerichtsstandbestimmung nicht in Betracht, weil für beide Beklagten ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist der Erfüllungsort in der genannten Konstellation hingegen für jeden Anspruch gesondert zu bestimmen.
Die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann auch noch erfolgen, wenn wie im Streitfall bereits Klage erhoben worden ist.
Die Beklagten werden als Streitgenossen i.S.d. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen und haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten.
Der Widerruf eines mit einem Kaufvertrag i.S.v. § 358 BGB verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags führt nicht dazu, dass alle Ansprüche auf Rückabwicklung an demselben Ort zu erfüllen sind.
Der Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO bestimmt sich grundsätzlich nach materiellem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hatte, es sei denn, die Parteien haben einen anderen Leistungsort vereinbart, oder wenn sich ein abweichender Erfüllungsort aus den Umständen oder aus dem Schuldverhältnis ergibt, wie beispielsweise für Bauwerksvertrag. Danach ist der Leistungsort grundsätzlich auch bei gegenseitigen Verträgen für jede Leistung gesondert zu bestimmen.
Auf dieser Grundlage liegt der Leistungsort für die geltend gemachte Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen am Sitz der jeweiligen Beklagten. Die beiden Beklagten haben folglich keinen gemeinsamen Gerichtsstand des Erfüllungsorts.
Nach der geltenden Rechtslage sind die beiderseits empfangenen Leistungen grundsätzlich zurückzugewähren. Der Umstand, dass die Darlehensgeberin mit Ausübung des Widerrufs gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eintritt, hat auf den Erfüllungsort ebenfalls keinen Einfluss.
Die Vermittlung des Darlehensvertrags durch die Beklagte zu 1) begründet keinen Gerichtsstand der Niederlassung der Beklagten zu 2) am Ort der Vermittlung; für einen Gerichtsstand nach § 21 ZPO ist erforderlich, dass die Leitung der Niederlassung das Recht hat, aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen. Die bloße Vermittlung von Vertragsofferten genügt nicht.
Die in der Klageerhebung liegende Wahl des Gerichtsstands (§ 35 ZPO) steht der Zulässigkeit der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen.
Der Senat bestimmt als zuständiges Gericht das AG Mönchengladbach. Mit der Bestimmung des AG Mönchengladbach als zuständiges Gericht geht die Rechtshängigkeit ohne Weiteres auf dieses über.
- C.
Kontext der Entscheidung
Im Kontext der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage hat der X. Zivilsenat des BGH entschieden, dass die von zahlreichen Oberlandesgerichten vertretende Auffassung, dass sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrags und eines damit i.S.v. § 358 BGB verbundenen Kaufvertrags an dem Ort zu erfüllen seien, an dem sich die veräußerte Sache im Zeitpunkt des Widerrufs vertragsgemäß befindet, grundsätzlich nicht in Betracht kommt (Rn. 10 m.w.N.); der Senat hat, wie auch das vorlegende Oberlandesgericht, ausgeführt, dass der Erfüllungsort in der gegebenen Konstellation für jeden Anspruch und für jede Leistung gesondert zu bestimmen sei (Rn. 12); dieser liege grundsätzlich am Wohnsitz bzw. Ort der Niederlassung des Schuldners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Rn. 20). Etwas anderes gelte nur, wenn die Parteien einen anderen Leistungsort vereinbart haben, oder wenn sich aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, ein abweichender Erfüllungsort ergebe (Rn. 20: BGH, Urt. v. 24.01.2007 - XII ZR 168/04 - NJW-RR 2007, 777 Rn. 11 m. Anm. Wenner, EWiR 2001, 652; vgl. hierzu Lorenz in: BeckOK BGB, 73. Ed. Stand: 01.02.2025, § 269 Rn. 9 m.w.N.). Zu diesen Ausnahmefällen, in denen nach der Rechtsprechung des BGH ein einheitlicher Leistungsort bestehen könne, zählen z.B. Architektenverträge mit einem einheitlichen Leistungsort am Ort des Bauwerks, wenn dem Architekten die Bauaufsicht übertragen worden sei (BGH, Urt. v. 07.12.2000 - VII ZR 404/99 - NJW 2001, 1936, betr. einen Fall mit Auslandsberührung) und Bauwerkverträge (BGH, Beschl. v. 05.12.1985 - I ARZ 737/85 - NJW 1986, 935; vgl. Lorenz in: BeckOK BGB, § 269 Rn. 9 m.w.N.; Artz in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 269 Rn. 13 m.w.N.). Der BGH weist darauf hin, dass der Widerruf eines mit einem Kaufvertrag i.S.v. § 358 BGB verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags nicht dazu führe, dass alle Ansprüche auf Rückabwicklung an demselben Ort zu erfüllen sind (Ls. 1, Rn. 18).
Der Senat bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht nur vor der Erhebung der Klage zulässig ist, sondern auch dann, wenn bereits Klage erhoben worden sei (Rn. 15; BGH, Beschl. v. 14.07.2020 - X ARZ 156/20 - NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10 m. Anm. Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 21/2020 Anm. 5; Toussaint in: BeckOK ZPO, 56. Ed. Stand: 01.03.2025, § 36 Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung für die Gerichtsstandbestimmung ist allerdings, dass kein gemeinsamer Erfüllungsort oder ein sonstiger Gerichtsstand besteht.
Die in der Klageerhebung liegende Wahl des Gerichtsstands (§ 35 ZPO) steht der Zulässigkeit der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen (Rn. 37). Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn sich ein gemeinschaftlich bestehender Gerichtsstand am gewählten Ort zuverlässig feststellen ließe (Rn. 38; BGH, Beschl. v. 27.11.2018 - X ARZ 312/18 - NJW-RR 2019, 238 Rn. 17).
Der Senat weist darauf hin, dass die Vermittlung des Darlehensvertrags durch den Verkäufer, der Händlerin, keinen gemeinschaftlichen Gerichtsstand begründe; dafür hätte die Niederlassung eigenständig Verträge abschließen können und müssen (Rn. 35 f.; BGH, Beschl. v. 13.07.1987 - II ZR 188/86 - NJW 1987, 3081). Für die genannte Voraussetzung einer Niederlassung nimmt der Senat Bezug auf eine Entscheidung, die eine Niederlassung als Voraussetzung für die internationale Entscheidungszuständigkeit deutschen Gerichte gemäß § 21 ZPO zum Gegenstand hat (i.E. Toussaint in: BeckOK ZPO, § 21 Rn. 9 m.w.N.).
- D.
Auswirkungen für die Praxis
Mit dieser Entscheidung hat der X. Zivilsenat des BGH das Problem der Gerichtsstände in den Fallkonstellationen entschieden, dass ein Verbraucher einen Verbraucherkreditvertrag nach § 358 BGB widerruft, der dazu diente, einen Beschaffungsvertrag i.S.d. § 358 Abs. 1 BGB vollständig oder teilweise zu finanzieren (i.E. zu den erforderlichen Voraussetzungen eines Widerrufs des Darlehensvertrags: Finanzierungszweck: Müller-Christmann in: BeckOK BGB, 73. Ed. Stand: 01.02.2025, § 358 Rn. 38 bis 42; zu den in Betracht kommenden Verträgen: Rn. 16, 26 f.; finanzierter Vertrag: Rn. 26 bis 35; Darlehensvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einen Verbraucher als Darlehensnehmer: Rn. 17, 24; ein Widerrufsrecht: Rn. 30; wirksame Ausübung des Widerrufs: Rn. 33 bis 35).
Der Umfang der Voraussetzungen eines Widerrufs des Darlehensvertrags beschreibt für den forensisch beratenden Rechtsanwalt den Umfang der erforderlichen Prüfung in einem Konflikt zwischen den drei Beteiligten eines finanzierten Geschäfts in der Konstellation, die der Entscheidung zugrunde liegt.
Falls es für den beratenden Rechtsanwalt infrage steht, Rückabwicklungsforderungen gerichtlich durchzusetzen, muss er für jede mögliche Klageforderung gesondert prüfen, welches Gericht zuständig sein würde. In der gegebenen Konstellation fehlt es für einen gemeinsamen Erfüllungsort für wechselseitige Ansprüche an einer wesentlichen Voraussetzung (Rn. 30).
Die Entscheidungsbegründung bietet ein Prüfungsschema der in Betracht kommenden und nicht gegebenen Gerichtsstände für den Verbraucher. Der X. Zivilsenat des BGH bestätigt seine bisherige Entscheidung, dass die Bestimmung des Leistungsorts grundsätzlich auch bei gegenseitigen Verträgen für jede Leistung gesondert zu bestimmen ist; dass dies zu unterschiedlichen Gerichtsständen führen kann, ist prinzipiell hinzunehmen (Rn. 21 m.w.N.). Mit diesem Argument schließt der X. Zivilsenat des BGH den Einwand der Unzumutbarkeit gegen die Folgen der genannten Rechtsprechung aus.
Vorsorglich verneint der Senat die Möglichkeit, dass die Vermittlung des Darlehensvertrags durch den Verkäufer in solchen Fällen den Gerichtsstand der Niederlassung der Darlehensgeberin am Ort der Vermittlung begründet (Ls. 2, Rn. 35).